CrowdFeeling oder “Die Überquerung des Rubikons”

Diplom-Psychologe Pelle Bernhold Monegassen Ramsch

Diplom-Psychologe Pelle Bernhold von Monegassen Ramsch

Ja, wir wollen euer Bestes. Und deswegen eure monetäre Unterstützung. Crowdfunding heisst das, gar nicht mehr so neue, Stichwort. Seit November arbeiten wir an unserer Kampagne um Weiterentwicklung & Bau der FahrradGarderobe zu sichern. Um zu wissen, was Crowdfunding so alles bedeuten kann, haben wir uns mit Fachmenschen kreativ ausgetauscht. Zum Beispiel mit Pelle Bernhold, Diplom-Psychologe & Spieleentwickler & Spielecrowdfunder aus Jena. Pelle, erzähl’ uns doch mal:

Gibt es eine Psychologie des Crowdfunding oder ist das alles doch nur ein Glücksspiel?

Bisher gibt es meines Wissens keine Forschungsgruppe, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt. Aber seit 2001 die erste Crowdfunding-Plattform online gegangen ist, sind einzelne Studien durchgeführt worden, die der Dynamik dieses neuen Phänomens auf den Grund zu gehen versuchen, vor allem durch qualitative Interviews und Online-Umfragen. Hierbei wird sowohl auf etablierte sozialpsychologische Theorien zurückgegriffen, also auch auf Modelle zum Verbraucherverhalten oder zur Motivationspsychologie.

Dass Menschen – real oder digital – zusammenkommen und etwas auf die Beine stellen, ist ja kein neues Verhalten. Die entsprechenden Online-Plattformen haben diesen Phänomenen nun aber einen neuen, effizienteren Raum gegeben. Vor allem die Dezentralisierung der handelnden Gruppe, also das Teilnehmer_Innen nicht in einer Nachbarschaft leben und sich kennen müssen, erhöht die Möglichkeiten und Chancen ungemein, sei das Thema auch noch so speziell. Grundlage für diesen digitalen Aufbruch ist letztendlich die steigende Vertrautheit der Menschen mit dem Medium Internet und im Einzelnen natürlich jede “gute” Idee und dazu initiierte Kampagne.

Ein Glückspiel ist es aber nur in soweit, wie das Interesse der Crowd nie ganz vorhersagbar ist. Das Gleiche gilt für die traditionellen Medien, die jede Kampagne zu einem gewissen Grad braucht, um Breitenwirkung zu erreichen. Ein Interview in einer Fernsehsendung oder einer Tageszeit beispielsweise kann entscheidend sein, um ein gewisses Momentum zu bekommen.

Wie erzeugt man aus deiner Perspektive betrachtet aus Sympathien eine Geberlaune, respektive ein “Crowdfeeling”?

Die Sympathie scheint ein erster Schlüssel zu sein: Eine Kampagne scheint dann erfolgreicher, wenn sie persönlich getragen wird, jemand vertrauenswürdiges für das Projekt aufsteht und es kommuniziert – das ist aber noch nicht wissenschaftlich bewiesen und mag in manchen, speziellen Fällen auch nicht zutreffen. Sympathie und Vertrauen alleine reichen aber nicht aus, um potentielle Unterstützer_Innen zur “Überquerung des Rubikons” zu bewegen, sie also das virtuelle Portmonee zücken zu lassen und zum Mitmachen zu bewegen. Hier ist sicher die Projektidee an sich entscheidend und wie sehr sie eine Spendenmotivation auslöst oder aber durch attraktive Dankeschöns punktet – im besten Fall tut sie beides.

Hinzu kommen Kriterien wie Informativität und Transparenz, sowie Unterhaltung und Design – denn, um im Internet Aufmerksamkeit zu bekommen muss eine Kampagne auch ästethisch ansprechen und ein länger anhaltendes Narrativ haben, das möglichst inspirierend ist, es in die alltäglichen Unterhaltungen schafft und über den Finanzierungszeitraum hinausreicht. “Crowdfeeling” wäre dann genau genommen ein Ergebnis dieses Gefühls “Teil einer partizipativen Geschichte zu sein”, eines sinnvollen und schönen Projekts mit dem man aktiv seine Gesellschaft gestaltet.

Die eingesammelte Summe bringt Verantwortung mit sich. Wie empfindest du die Beziehung, die zwischen euch und euren Unterstützern entstanden ist?

Die Erfahrung ist schön aber auch eigen. Was die Verantwortung betrifft, lässt diese sich eigentlich relativ klar greifen und erfüllen, wenn man die Projektziele transparent kommuniziert hat und auf Rückmeldung aus der Crowd reagiert. Eine Herausforderung ist da eher die eigene Erwartung sowie die digitale Kommunikation in einer großen Gruppe: Natürlich wünscht man sich, dass zwischen Idee und Ergebnis möglichst viel Interaktion stattfindet, gleichzeitig will man professionell sein und hat bereits ein Konzept – beides mitzuteilen, also offen und zielorientiert zugleich zu sein, ist gar nicht leicht.

Wirklich starke Crowd-Partizipation ist bei einem größeren Projekt und je nachdem, wie kommunikationsfreudig die Crowd ist, entsprechend nur bedingt möglich: Liefert das Projekt-Team zu viele Inhalte, geraten die Unterstützer_Innen eher in eine Konsumentenhaltung und werden passiv; tut man dies nicht, läuft man Gefahr als unprofessionell und planlos wahrgenommen zu werden. Das ist eine Herausforderung, die man persönlich während der ganzen Kampagne bewältigen muss. Die Unterstützer_Innen wiederum suchen ebenfalls nach einer Balance zwischen teilweise kritischer Teilnahme und einer eher passiven Solidarität. Hinzu kommt, dass viele Unterstützer_Innen verständlicherweise Respekt davor haben, sich öffentlich zu äußern und in eine digital gespeicherte Diskussion einzuklinken, die vielleicht von hunderten von Menschen verfolgt wird. Diese beiderseits stattfindenden Balance-Prozesse können schon mal aneinander vorbei gehen oder auch Erwartungen enttäuschen.

Wir hatten in unserem Fall aber sehr viel Glück: eine recht mutige und humorvolle Crowd hat uns in einem sehr schönen Projekt begleitet und tut dies tollerweise auch heute noch, aus einem “Crowdfeeling” ist also eine “Crowd-Kultur” geworden. Außerdem haben wir über Projekt-Events etliche Unterstützer_Innen persönlich kennen lernen dürfen und finden, dass gerade das auch nochmal ein angenehmes Ankommen auf nicht-virtuellem Boden ist: letztendlich fühlen die meisten Menschen sich doch in einer realen Interaktion wohler und man spürt eindeutiger, ob und was Teilnehmer an einer gemeinsam erschaffene Geschichte genossen haben. Das ist sehr zu empfehlen!